von Caroline Brandes, veröffentlicht am 22.10.2018, 07:08 Uhr
Unterhaltszahlungen erst Jahre später
Manchmal braucht es mehrere Jahre, bis Alleinerziehende für ihr Kind seitens der Gerichte einen Beschluss in Händen halten können, mit dem der andere Elternteil rückwirkend und zukünftig zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wird. Jahre, in denen sich ein Kind abgelehnt fühlt, wenn es durch den Vorenthalt des Unterhalts unweigerlich in Armut leben muss. Besonders derb wird es für Kinder, wenn sie über das Internet mitbekommen, dass der eigene Vater mit seiner neuen Freundin in den Urlaub fahren kann, aber keinen Cent für den Unterhalt übrig hat.
"Warum bin ich meinem Papa nichts wert?"
In einem Verfahren am Amtsgericht Augsburg sowie am Oberlandesgericht München gab sich ein Vater dem Anschein nach alle Mühe, sich seinen Verpflichtungen in Gänze entziehen zu können.
Dreimonatige Sperre beim Jobcenter
In diesem Fall wurde der Bogen wohl zu weit gespannt: Offenbar hatte der Vater im Zuge des Verfahrens am Oberlandesgericht München kurz zuvor seine Arbeitsstelle gekündigt. Dies hat zu einer dreimonatigen Sperre beim Jobcenter geführt.
Verletzung der Unterhaltspflicht ist ein Vergehen
"Die Verletzung der Unterhaltspflicht1 ist nach deutschem Strafrecht ein Vergehen, das nach § 170 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, unter Umständen auch mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden kann". Im Strafgesetzbuch heißt es hierzu:
Polizeistatistik 2016§ 170 StGB, Verletzung der Unterhaltspflicht2
(1) Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so daß der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer einer Schwangeren zum Unterhalt verpflichtet ist und ihr diesen Unterhalt in verwerflicher Weise vorenthält und dadurch den Schwangerschaftsabbruch bewirkt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Aus der Polizeistatistik 20163 ist zu entnehmen, dass 2015 7.304 Fälle und 2016 6.735 Fälle einer Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 StGB erfasst wurden. Angesichts der hohen Zahl an Kindern, für die der Staat Unterhaltsvorschuß leisten muss, ist davon auszugehen, dass viele Fälle, in denen eine Verletzung der Unterhaltspflicht vorliegt, nicht angezeigt wurden.
714.000 Kinder erhielten Ende März 2018 Unterhaltsvorschuß
Ende März 2018 bezogen immerhin ca. 714.000 Kinder4 im Alter bis unter 18 Jahre Unterhaltsvorschuß. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2017 können Alleinerziehende diese Leistung nun auch für Kinder über 12 Jahre beziehen. In ZEIT Online4 heißt es hierzu:
Unterhaltsvorschuß vs. MindestunterhaltDemnach bezogen zunächst 414.000 Kinder den Zuschuss, nach Inkrafttreten der Reform stieg die Zahl auf fast 714.000 Ende März. "Für viele Alleinerziehende ist das eine echte Unterstützung, die konkret im Portemonnaie ankommt", sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD) der Süddeutschen Zeitung. Dass nun 300.000 zusätzliche Kinder profitieren, sei ein großer Fortschritt.
Durch die Gesetzesänderung wird das Ausmaß der Misere noch einmal deutlich. Der Unterhaltsvorschuss liegt unterhalb des Mindestunterhalts für Kinder. Er beträgt für Kinder5
- bis zum 6. Geburtstag: 154 Euro,
- bis zum 12. Geburtstag: 205 Euro und
- bis zum 18. Geburtstag: 273 Euro.
- bis zum 6. Geburtstag: 348 Euro,
- bis zum 12. Geburtstag: 399 Euro und
- bis zum 18. Geburtstag: 467 Euro.
In ZEIT online4 finden sich weitere erschreckende Zahlen, die erahnen lassen, dass offensichtlich viele Väter keine Scham kennen, dass der Steuerzahler für ihre Verpflichtungen eintreten muss:
Würde der Staat in Höhe des Mindestunterhalts Unterhaltsvorschuss für die über 714.000 Kinder zahlen, müsste der Steuerzahler mindestens eine weitere Milliarde in die Hand nehmen.Laut dem Bericht sollen allein knapp 200.000 Kinder über zwölf Jahren neu in der Statistik auftauchen. Auch bei den Sechs- bis Elfjährigen sei die Zahl deutlich angestiegen, auf gut 313.000. Die gesamten Unterhaltskosten beliefen sich 2017 auf insgesamt 1,1 Milliarden Euro. Dabei ist der Unterhalt oft kein Vorschuss, da nur 209 Millionen Euro erfolgreich zurückgefordert werden konnten.
Viele Alleinerziehende wären nicht auf Hartz IV angewiesen, könnten oben auf somit Kindergeld erhalten und Wohngeld beantragen, wenn sie wenigstens für ihre Kinder den Mindestunterhalt erhalten würden. Kinderarmut könnte in vielen Fällen wirksam vermieden werden:
- durch eine bessere Zahlungsmoral der unterhaltspflichtigen Eltern,
- durch eine Anhebung des Unterhaltsvorschusses in Höhe des Mindestunterhalts nach Düsseldorfer Tabelle.
Wenn es um die Verletzung der Unterhaltspflicht geht, scheint dieses Thema noch aus ganz anderen Gründen unbeliebt zu sein. Carsten Krumm6 (Richter am Amtsgericht) schreibt auf dem beck-blog hierzu:
Verletzung der Unterhaltspflicht, § 170 StGB, ist eine ganz unbeliebte Norm. Die Ermittlungen sind meist schwierig. Zudem darf man sich nicht einfach damit begnügen, festzustellen, der Angeklagte hätte ja schon Unterhalt zahlen können. Da hilft auch ein pauschales Geständnis nicht weiter.
Quellen:
- Verletzung der Unterhaltspflicht, wikipedia.org, https://de.wikipedia.org/wiki/Verletzun ... ltspflicht, zuletzt aufgerufen am 21.10.2018
- § 170 StGB, Verletzung der Unterhaltspflicht, dejure,org, https://dejure.org/gesetze/StGB/170.html, zuletzt aufgerufen am 21.10.2018
- Polizeiliche Kriminalstatistik 2016, 151 Seiten, Stand: April 2017, Version 2.0, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/down ... -2016.html, zuletzt aufgerufen am 22.10.2018
- Zusätzlich 300.000 Kinder erhalten Unterhaltsvorschuss, ZEIT ONLINE, 17. Juli 2018, 10:39 Uhr, https://www.zeit.de/gesellschaft/famili ... ch-bericht, zuletzt aufgerufen am 22.10.2018
- Unterhalt für Alleinerziehende nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, unterhalt.net, 09.03.2018, https://www.unterhalt.net/kindesunterha ... chuss.html, zuletzt aufgerufen am 22.10.2018
- Krumm, Carsten; Unterhaltspflichtverletzung: Das Urteil muss eine Unterhaltsberechnung enthalten!, beck-blog, 22.06.2012, https://community.beck.de/2012/06/22/un ... -enthalten, zuletzt aufgerufen am 21.10.2018